Zur Ausführung von Stahl-/Aluminiumtragwerken

DIN EN 1090 im Fokus

In Kürze wird ganz Europa nach einheitlichen Normen Stahl- und Aluminiumbauten herstellen.

Punkt 1 dieses Artikels beschäftigt sich mit dem Umfang der DIN EN 1090 für kleinere und mittlere Metallbauunternehmen. Die europäische Normenreihe besteht aus drei Normenteilen:
* DIN EN 1090-1: 2010-07 Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken - Teil 1: Konformitätsnachweisverfahren für tragende Bauteile;
* DIN EN 1090-2: 2008-12 Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken - Teil 2: Technische Regeln für die Ausführung von Stahltragwerken;

* DIN EN 1090-3: 2008-09 Ausführung von Stahltragwerken und Aluminiumtragwerken - Teil 3: Technische Regeln für die Ausführung von Aluminiumtragwerken.
Anwendungsbereich der Normenreihe sind tragende Bauteile, die als Bauprodukte in Verkehr gebracht werden. Die Norm gilt daher für alle Betriebe, die solche Bauprodukte aus Stahl und Aluminium herstellen, unabhängig von der Größe der ausführenden Betriebe. Allein die Einstufung in die Ausführungsklassen nach den Teilen 2 (Stahl) und 3 (Aluminium) ist ausschlaggebend für die zu erfüllenden Anforderungen.
 
Änderungen. Punkt 2 behandelt die Auswirkungen und Einschränkungen gegenüber dem heutigen Stand. Die wesentlichen Änderungen, die sich für die Metallbauer ergeben, sind:
* Ausführungsklassen EXC 1 - 4 lösen die Herstellerqualifikation Klassen A bis E nach DIN 18800-7 bzw. DIN V 4113-3 ab.
* Es gibt keine Vergleichbarkeit von DIN 18800 bzw. DIN 4113 mit EN 1090, weil die neue Norm einen grundsätzlich anderen Ansatz hat. Die europäische Norm hat eine produktbezogene Sichtweise, während DIN 18800-7 und DIN V 4113-3 die Herstellerqualifikation der Betriebe beschrieben hat.
* Die vom Betrieb zu erfüllenden Anforderungen richten sich nach der jeweiligen Ausführungsklasse (execution class - EXC) von DIN EN 1090-2 bzw. -3.
* Die CE-Kennzeichnung sämtlicher bauaufsichtlich relevanter Metallbauprodukte bedeutet für nahezu alle Metallbauer nun die Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle und die laufende Überwachung durch eine notifizierte Stelle. Damit sind von allen diesen Metallbauern auch geprüfte Schweißer, Werkstoffnachweise und auftragsbezogene Dokumentation gefordert.
* Metallbaubetriebe, die heute schon nach der DIN 18800-7 in den Klassen B bis E arbeiten, müssen damit rechnen, dass die über 200 Seiten umfassende neue DIN EN 1090-2 erweiterte Anforderungen, insbesondere im Bereich der Prüfumfänge, stellt.
Die Gliederung der EN 1090-2 wird den Metallbauern, die ihre Stahlbauten bisher nach DIN 18800-7 ausgeführt haben, bekannt vorkommen. Sie ist, was die erste Gliederungsebene angeht,  identisch. Allein das Kapitel über die Herstellerqualifikation fehlt in DIN EN 1090-2, dafür beschreibt der Teil 1 den Konformitätsnachweis.
Die mitgeltenden Normen zu den Werkstoffen, Prüfbescheinigungen (DIN EN 10204), Schweißerprüfungen (DIN EN 287-1), schweißtechnischen Qualitätsanforderungen (DIN EN ISO 3834) oder den Bewertungsgruppen von Unregelmäßigkeiten (DIN EN ISO 5817) sind die dieselben, mit denen bisher nach DIN 18800-7 gearbeitet wird.
Der Umfang der Normenreihe hat im Vergleich zur DIN 18800-7 und DIN V 4113-3 deutlich zugenommen. Geschuldet ist das dem europäischen Einigungsprozess. Normungsarbeit ist Kompromissgeschäft. Alle Teilnehmer möchten sich in einem solchen Dokument wieder finden. DIN EN 1090-1 hat 45 Seiten, DIN EN 1090-2 kommt auf 211 Seiten und DIN EN 1090-3 schließlich auf 118 Seiten Normentext. Das äußert sich auch in den Preisen, die der Beuth Verlag für die Normen verlangt:  Teil 1: 108,80 €; Teil 2: 304,30 €; Teil 3: 190,80 €.
 
Vorgehensweise. Punkt 3 geht auf Vorgehensweise und notwendige Vorbereitungen für die Einführung ein. Die Veröffentlichung der harmonisierten Norm EN 1090-1 im Amtsblatt der Europäischen Union ist am 17.12.2010 erfolgt. Das war der Startschuss für alle Mitgliedsländer, die Norm national einzuführen. Für Deutschland ist das am 16.02.2011 mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger geschehen.
Damit ist die CE-Kennzeichnung von tragenden Bauteilen aus Stahl und Aluminium möglich. Die Veröffentlichung von EN 1090-1 im Bundesanzeiger berechtigt zudem die notifizierten Stellen (bisher waren es die anerkannten Stellen, die nach DIN 18800-7 die Herstellerqualifikation in den Klassen B bis E bescheinigt haben) zur Zertifizierung von Unternehmen und zur Erteilung von EG-Konformitäts-zertifikaten, also der Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle.
Die Koexistenzphase mit der parallelen Geltung von nationalen und europäischen Bemessungs- und Ausführungsnormen endet am 01.07.2012. Nach diesem Stichtag werden alle Metallbaubetriebe den Anforderungen der DIN EN 1090-1 genügen müssen. Das heißt: Bauprodukte nach EN 1090-1 ohne CE-Kennzeichnung dürfen dann in Europa nicht mehr auf den Markt gebracht werden.
 
Produktionskontrolle. Alle Metallbauer, denen bisher eine Herstellerqualifikation nach DIN 18800-7 bescheinigt wurde, müssen nun ihre werkseigene Produktionskontrolle zertifizieren lassen. Der damit für die Metallbaubetriebe verbundene Aufwand ist abhängig davon, in welcher Klasse der Herstellerqualifikation nach DIN 18800-7 bisher gearbeitet wurde und in welcher Ausführungsklasse nach EN 1090-2/-3 zukünftig gearbeitet werden soll. Wie groß der Aufwand der Klasse A-Betriebe für die Vorbereitung auf die Zertifizierung ist, hängt maßgeblich davon ab, wie strukturiert die Betriebe heute bereits arbeiten.
Für die Zertifizierung der werkseigenen Produktionskontrolle werden die genannten Normen und Kenntnis über deren Inhalt gebraucht. Die drei Normenteile sind Bestandteil des 70 Normen umfassenden Fachregelwerk-Normenpaketes. Für Abonnenten lohnt sich das Fachregelwerk (www.metallbaupraxis.de) also einmal mehr. Allein Teil 1 und 2 der DIN EN 1090 sind schon teurer also das gesamte jährliche Abonnement.
 
Ausnahmeregelungen. Punkt 4 beinhaltet Ausnahmeregelungen für Kleinbetriebe und Schmiede. Die Klasse A der DIN 18800-7 beizubehalten, also die Herstellung von Bauteilen für den privaten Wohnungsbau ohne die Überwachung der Betriebe durch anerkannte Stellen, ist nicht gelungen. Dazu hatte Dr. Kathage vom DIBt bereits auf dem Metallbaukongress 2009 Stellung genommen und in der Podiumsdiskussion zur Einführung der EN 090 in Europa deutlich gemacht, dass es bei der Einführung einer harmonisierten Norm keinerlei Spielraum für nationale Sonderregelungen der Mitgliedsländer gibt.
 
Anlaufstellen. Punkt 5 beschreibt Anlaufstellen und beratende Institutionen. Um die  Zertifizierung nach der DIN EN 1090-1 aber zu erleichtern, sind die Metallhandwerk-Verbände - www.intern.metall-handwerk.de - seit längerem am Ball, zum einen in den Gremien und Arbeitskreisen, die sich mit der Umsetzung in Deutschland beschäftigen, zum anderen läuft inzwischen eine breit angelegte Informations- und Qualifikationsoffensive an, mit dem Ziel, auf Landesverbands- und Innungsebene im Detail zu informieren.
Weiterhin ist ein detailliertes Seminarprogramm vorbereitet, das insbesondere die Normenteile DIN EN 1090-1 und -2 behandelt: CE-Kennzeichnung nach DIN EN 1090-1,  Ausführungsklassen nach DIN EN 1090-2, Schraubverbindungen nach DIN EN 1090-2, Toleranzen nach DIN EN 1090-2, Korrosionsschutz nach DIN EN 1090-2, Schweißen nach DIN EN 1090-2.
Ansprechpartner sind weiterhin die anerkannten Stellen.
 
Vorbereitungen. Punkt 6 hat eine Checkliste für die Vorbereitungen zur werkseigenen Produktionskontrolle zum Inhalt. Für die Umsetzung der EN 1090 in Deutschland ist unter dem Dach des Koordinierungsausschusses der Stellen für Metallbauten ein Arbeitskreis EN 1090 gebildet worden. Der hat die Zuordnung der Bauteile zu den Ausführungsklassen erarbeitet (s.u.) und auch die Voraussetzungen und das Verfahren für die Zertifizierung von Herstellern nach DIN EN 1090-1 beschrieben. Ergebnis ist die DVS-Richtlinie 1711, die im Entwurf vorliegt. Darin wird in Form von Checklisten das Verfahren von der Antragstellung bis zur Ausstellung der Zertifikate beschrieben.
Metallbaubetriebe, die das Zertifikat über die werkseigene Produktionskontrolle besitzen und eine Konformitätserklärung erstellt haben, dürfen für die von ihnen hergestellten Tragwerke oder Bauteile die nach DIN EN 1090-1 erforderliche CE-Kennzeichnung vornehmen.
Derselbe Arbeitskreis hat zudem eine Richtlinie DVS 1712 erarbeitet, die anhand eines konkreten Anwendungsbeispiels aus der EXC 1, eines Anbaubalkons, beschreibt, welche Anforderungen ein Betrieb zur Ausführung und Dokumentation nach EN 1090-1 und EN 1090-2 erfüllen muss.
 
Spezifikationen. Punkt 7 erläutert Spezifikationen und Klassen. DIN EN 1090-2 enthält im Anhang B einen Leitfaden zur Bestimmung der Ausführungsklassen. Vier Ausführungsklassen - von EXC 1 bis EXC 4 – werden unterschieden. Die Ausführungsklassen (EXC) selbst hängen ab von der Schadensfolgeklasse CC, der Beanspruchungskategorie SC und der Herstellungskategorie PC.
Für die Auswahl der Schadensfolgeklassen wird auf die Normen EN 1990 und EN 1991-1-7 verwiesen. EN 1991-1-7 enthält Beispiele zur Einstufung von Gebäudetyp und Gebäudenutzung in Zusammenhang mit den Schadensfolgeklassen. In dem Arbeitskreis zur DIN EN 1090 ist diese Tabelle aus EN 1991-1-7 weiterentwickelt worden.
Ergebnis ist eine Übersicht, die vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) in den DIBt-Mitteilungen 6/2010 veröffentlicht worden ist. Sie soll insbesondere vermeiden helfen, dass Ausschreibungen aufgrund von fehlender Sachkenntnis tendenziell den hohen Ausführungsklassen zugeordnet werden.
Wird keine Ausführungsklasse festgelegt, so heißt es in EN 1090-2, dass automatisch EXC 2 gilt. 
 
 
 
 
 
Ausführungsklassen
 
Erläuterungen zur Anwendung
 
Im Anschluss folgen Erläuterungen zur Anwendung der Eurocodes vor ihrer Bekanntmachung als Technische Baubestimmungen; (DIBt-Mitteilungen 6/2010), Abs. 5.2, Auszug:
 
EXC 1. In diese Ausführungsklasse fallen vorwiegend ruhend beanspruchte Bauteile oder Tragwerke aus Stahl bis zur Festigkeitsklasse S275, für die mindestens einer der folgenden Punkte zutrifft:
1.              max. zwei Geschosse aus Walzprofilen ohne biegesteife Kopfplattenstöße;
2.              Stützen mit max. 3 m  Knicklänge;
3.              Biegeträger mit max. 5 m Spannweite und Auskragungen bis 2 m;
4.              charakteristische veränderliche gleichmäßig verteilte Einwirkungen/Nutzlasten bis   2,5 kN/m² und charakteristische veränderliche Einzelnutzlasten bis 2,0 kN;
5.              Belastungsebenen, max. 30° geneigt (z.B. Rampen) mit Beanspruchungen durch charakteristische Achslasten von max. 63 kN oder charakteristische veränderliche gleichmäßige verteilte Einwirkung/Nutzlasten von bis zu 17,5 kN/m² (vgl. Kategorie G3 in Tab. 4 DIN 1055-3) in einer Höhe von max. 1,25 m über festem Boden wirkend;
6.              Treppen und Geländer in Wohngebäuden;
7.               landwirtschaftliche Gebäude ohne regelmäßigen Personenverkehr (z.B. Scheunen, Gewächshäuser);
8.               Wintergärten an Wohngebäuden;
9.               Einfamilienhäuser mit bis zu vier Geschossen;
10.          Gebäude, die selten von Personen betreten werden, wenn der Abstand zu anderen Gebäuden oder Flächen mit häufiger Nutzung durch Personen mindestens das 1,5-fache der Gebäudehöhe beträgt.
Die Ausführungsklasse EXC 1 gilt auch für andere vergleichbare Bauwerke, Tragwerke und Bauteile.
 
EXC 2. In diese Ausführungsklasse fallen vorwiegend ruhende und nicht vorwiegend ruhende beanspruchte Bauteile oder Tragwerke aus Stahl bis zur Festigkeitsklasse S700, die nicht den Ausführungsklassen EXC 1, EXC 3 und EXC 4 zuzuordnen sind.
 
EXC 3. In diese Ausführungsklasse fallen vorwiegend ruhend und nicht vorwiegend ruhend beanspruchte Bauteile oder Tragwerke aus Stahl bis zur Festigkeitsklasse S700, für die mindestens einer der folgenden Punkte zutrifft:
1. großflächige Dachkonstruktionen von Versammlungsstätten/Stadien;
2. Gebäude mit mehr als 15 Geschossen;
3. vorwiegend ruhend beanspruchte Tragwerke oder deren
 Bauteile:  Geh- und Radwegbrücken /  Straßenbrücken / Eisenbahnbrücken /  Fliegende Bauten / Türme und Masten wie z.B. Antennentragwerke / Kranbahnen /  zylindrische Türme wie z.B. Stahlschornsteine.
Die Ausführungsklasse EXC 3 gilt auch für andere vergleichbare Bauwerke, Tragwerke und Bauteile.
 
EXC 4. In diese Ausführungsklasse fallen alle Bauteile oder Tragwerke der Ausführungsklasse EXC 3 mit extremen Versagenserfolgen für Menschen und Umwelt, wie z.B.:
1. Straßenbrücken und Eisenbahnbrücken (siehe DIN EN 1991-1-7) über dicht besiedeltem Gebiet oder über Industrieanlagen mit hohem Gefährdungspotenzial;
2. Sicherheitsbehälter in Kernkraftwerken;
3. nicht vorwiegend ruhend beanspruchte Wehrverschlüsse bei extremen Abflussvolumen;
Der Großteil der Bauwerke, Tragwerke bzw. Bauteile wird also der EXC 2 zugeordnet. Für Betriebe mit einem Schweißfachmann als Schweißaufsichtsperson bedeutet das eine Erweiterung des Leistungsspektrums: Werkstoffe bis S355, Erhöhung der Werkstoffdicken bis 25 mm, keine Begrenzung von Spannweiten und Höhen und keine Einschränkung bei der Wahl der Schweißverfahren.

„Norm für Schmiede und Gestalter ungeeignet“
 
Wie der IFGS auf die DIN EN 1090 reagiert
 
Der Internationale Fachverband Gestaltender Schmiede (IFGS) plant, Metallgestalter umfassend über die DIN EN 1090 zu informieren. Außerdem will der Verband herausfinden, wie diese Norm in anderen europäischen Ländern gehandhabt wird.
 
Vor allem bei den kleinen Metallbaubetrieben, bei Metallgestaltern und Schmieden, wird heiß diskutiert, ob die DIN EN 1090 sinnvolle Qualitätskontrolle oder unnötiger Zeit- und Kostenfaktor ist. „Die Norm ist für Schmiede und Metallgestalter ungeeignet und wurde nur eingeführt, weil mittlere und größere Metall- und Stahlbauer den Markt reglementieren und unter sich aufteilen wollen“, erklärt Cornelis Pronk, Präsident des IFGS. „Verdienen werden daran auch die Institute, die die Nachweise prüfen und erstellen.“
Im Umkehrschluss bedeute dies für Schmiedebetriebe und Metallgestalter, von Ausschreibungen und Aufträgen ausgeschlossen zu werden, wenn sie die neue Norm nicht einhalten. Sie müssten sogar mit Strafen rechnen, wenn sie sich nicht den aufwändigen und teuren Zertifizierungen unterwerfen würden.
 
Nachweise. Für Schweißarbeiten musste bereits vor  der neuen Norm in allen Betrieben eine Schweißaufsichtsperson angestellt sein. Sie sorgt dafür, dass alle Schweißarbeiten durch die eigens geprüften Mitarbeiter der Firma durchgeführt werden. Ausgenommen davon waren die Betriebe der Herstellerqualifikationsgruppe A. Für sie genügte bisher der Nachweis der für den jeweiligen Auftrag nötigen Schweißerkurse und -prüfungen. Eine Schweißaufsicht war nicht erforderlich.
Die DIN EN 1090 verlangt nun, dass auch  Schmiede- und Metallgestalterbetriebe, die Arbeiten für den öffentlichen Raum herstellen und montieren, ihre betriebliche Produktion zertifizieren lassen. Dazu ist u. a. eine betriebsspezifische Beschreibung – ein Handbuch nötig. Ohne dieses Zertifikat können nach der Übergangsfrist bis 2013 keine Arbeiten mehr „regelgerecht“ ausgeführt werden.
Was bisher durch Fachkenntnisnachweis, Meisterbrief und Schweißnachweis abgedeckt war, ist, so der IFGS, nicht mehr ausreichend – ganz egal, ob die Arbeit ordentlich und nach „Stand der Technik“ ausgeführt ist. Manche Kommunen und öffentliche Stellen wurden nach Angaben des IFGS schon aufgefordert, Firmen zu denunzieren, die sich ohne die Nachweise nach der DIN EN 1090 um Aufträge bewerben.
 
Fachseminare. Der IFGS wird sich in eigenen Fachseminaren für Mitglieder und Nichtmitglieder mit der Thematik beschäftigen. „Wir werden auch nachsehen, wie die EU-Nachbarn mit dieser Vorschrift umgehen. Es gibt Gerüchte darüber, welche Länder darauf gedrängt haben, die neuen Normen einzuführen“, sagt Cornelis Pronk. „Es ist auch dringend erforderlich, festzustellen, ob es für die Betriebe Ausnahmegenehmigungen geben kann, wie früher in der Herstellerqualifikationsgruppe A.“
 
„Ungerechtigkeiten“. Eines müsse allen klar werden: Die neue Regel treibe die Preise der Produkte in die Höhe. Die Norm treffe dabei vor allem die individuell arbeitenden Schmiede und Metallgestalter hart, die für Einzel- und gestalterisch ausgewogene Lösungen stehen. „Es gibt Kollegen, die vermuten, dass die DIN EN 1090 das Ende der kleinen Metall-Betriebe bedeutet“, berichtet Cornelis Pronk. „So weit möchte ich nicht gehen. Aber uns wird das sowieso schon schwere Überleben noch schwieriger gemacht – das steht fest.“ In anderen, ebenso gefährdeten Gewerken wie Stein und Holz seien nach Kenntnis des IFGS keine erschwerenden EU-Regeln in Vorbereitung. „Wo ist der Unterschied zwischen einem Stahlbalkon und einem Holzbalkon? Gegen diese Ungerechtigkeiten werden wir uns wehren.“
Kurios wird das Unterfangen aus Sicht der Metallgestaltung, wenn man erfährt, dass die DIN EN 1090 nur für Arbeiten in Stahl und Aluminium gilt. Für gleichartige Aufträge in Bronze gibt es keine Vorschriften. Da stellt sich für den Verband die Frage, ob Schmiede einfach bei Geländern, Toren und Beschlägen komplett auf ein anderes Material ausweichen sollen, das im Schmiedebereich schon heute an zweiter Stelle der meistverwendeten Materialien steht. Außerdem, ob propagierte Sicherheit nur in Stahl relevant ist. Sollte man nun den Geländerbau in Bronze komplett verbieten, weil nur Stahlgeländer zertifiziert werden oder Menschen raten, ausschließlich in Gebäude zu gehen, in denen diese vorhanden sind? Denn Bronzegeländer sind ja nicht zertifizierbar und deshalb automatisch gefährlicher.
 
Einspruch. Der IFGS hat am 16. März Einspruch erhoben gegen den Entwurf des Deutschen Verbandes für Schweißen und verwandte Verfahren e.V. (DVS), Düsseldorf, zur Richtlinie DFS 1711. In diesem Entwurf werden die Richtlinien für Deutschland festgelegt, an die sich in der Folge die Institute und Fachleute bei der praktischen Arbeit in den Betrieben richten sollen. Der IFGS hat diese Maßnahme damit begründet, dass er als Internationale Schmiedevereinigung erst einmal die länderspezifischen Ausführungsbedingungen in anderen EU-Staaten vergleichen muss. Erst dann könnten für die Schmiede in der ganzen EU gleiche Voraussetzungen geschaffen werden. Der DVS wurde aufgefordert, dem IFGS diese Bestimmungen anderer Mitgliedsländer zur Verfügung zu stellen. Weitere Infos finden Sie auch unter www.ifgs.de 
 

 BILTZUMFRAGE
 
Geteilte Meinungen
 
Zum aktuellen Thema haben wir einigen metallbau-Lesern folgende Frage gestellt: „Seit Jahresbeginn ist es amtlich: die DIN EN 1090 ist bindend: Nach einer Übergangsfrist sind ab Sommer 2012 alle Metallbauer verpflichtet, Bauteile mit einem Prüfzeichen zu versehen und die werkseigene Produktionskontrolle zertifizieren zu lassen. Viele Betriebsinhaber kleinerer Unternehmen haben jetzt Zukunftsängste. Wie gehen Sie damit um? Wissen Sie, was auf ihr Unternehmen zukommt oder haben Sie schon Maßnahmen eingeleitet?“ Im Folgenden einige Antworten:
 
„Gerne lassen wir unsere Qualität zertifizieren, was uns jedoch Sorge bereitet ist die „gerechte“ Durchführung im Sinne der Kontrolle/Anwendung. Die Zertifizierungskosten müssen dann entsprechend umgelegt werden. Das bedeutet, dass es wieder einmal die Ehrlichen trifft, die „Preisdumper“ wie bisher nicht interessiert oder betroffen sind.“
 Peter Brandmeier, Metallbau & Schlosserei, Kandern
 
„Wir haben noch keine Maßnahmen ergriffen und werden das auch erst machen, wenn es wirklich rechtlich nachvollziehbar ist, ab wann die 1090 angewendet werden muss. Außerdem können noch keine Maßnahmen eingeleitet werden, da noch niemand wirklich Bescheid weiß, wie vorzugehen ist. Weder die oberste Bayerische Baubehörde, noch die Architekten, Planer usw. können zurzeit Auskunft geben. Nur die Beteiligten, die teure Kurse verkaufen wollen, machen psychischen Druck auf die Errichter.“ 
Schlossermeister Günter Dolezel, Germering
 
„Wir befassen uns mit dem Thema seit einigen Monaten und haben verschiedene Vorträge besucht. Trotz erhöhtem Verwaltungsaufwand werden wir uns den EU-Vorschriften beugen müssen und unseren Betrieb zertifizieren. In unserer Branche besteht ein sehr hoher Kostendruck. Wir stehen im Wettbewerb mit Betrieben, die Vorschriften und Normen ignorieren. (z.B. Herstellerqualifikation zum Schweißer) Wir erwarten, dass die Einführung der DIN EN 1090 eine Marktbereinigung bringt.“
Markthaler GmbH + Co KG, Kaufbeuren 
 
„Wir haben zu diesem Thema an einer Informationsveranstaltung teilgenommen und wissen in groben Zügen darüber Bescheid. Zukunftsängste haben wir deshalb keine - im Gegenteil. Da wir um dieses Thema nicht herumkommen, gilt eher die ‚Flucht nach vorne’. Mit professioneller Hilfe werden wir die werkseigenen Produktionskontrollen möglichst bald umsetzen und unser Unternehmen zertifizieren lassen. Am Ende der Übergangsfrist werden wahrscheinlich die meisten ‚aufwachen’. Dann wollen wir schon einen Schritt weiter sein. Wir verstehen die Ängste kleinerer Betriebe trotzdem sehr gut. Aber letztlich dient das Ganze auch der Sicherheit. Außerdem lässt sich der Verwaltungsaufwand in Grenzen halten, wenn man es richtig angeht.
Gast Stahl- und Metallbau GmbH & Co. KG, Durach/Allgäu

 
 

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