Sicherheit auf der Baustelle

Absturzsicherung besser nach Vorschrift

Wer in schwindelerregender Höhe arbeitet, kommt um die Sicherung gegen Absturz nicht herum. Absturzsicherung ist Pflicht, darin sind sich die Berufsgenossenschaften und der Gesetzgeber einig. Mit der Baustellenverordnung hat er ein umfassendes Regelwerk geschaffen, das in erster Linie den Bauherren in die Pflicht nimmt.

Der Bauherr steht in Sachen Absturzsicherung in besonderer Pflicht: Er allein trägt die Verantwortung für die Koordination, Ausschreibung sowie für die Vergabe, Überwachung und das Einhalten von Sicherheitsmaßnahmen — nicht nur für das Bauvorhaben, sondern auch für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz auf seiner Baustelle. Prinzipiell sind die Arbeiten so zu gestalten, dass keine Gefährdung für Leben und Gesundheit entsteht. Das beginnt bei der Planung und ist mit der Fertigstellung des Bauvorhabens längst nicht erledigt. Sowohl für die Bauphase als auch für die spätere Nutzung, Wartung und Instandhaltung müssen Bauherr bzw. Planer nach einer Gefährdungsbeurteilung für die geeignete Absturzsicherung sorgen. Entscheidend dabei sind örtliche Gegebenheiten wie Dach-neigung und Form, zulässige Belastung sowie die Gebäudehöhe und Windstärke.

Rechtliche Grundlagen. Die „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen“, Baustellenverordnung (BaustellV) genannt, verfolgt das Ziel, den Arbeitsschutz der Beschäftigten auf Baustellen sicherzustellen und zu verbessern. Sie richtet sich an den Bauherrn und definiert die für die Planung und Ausführung notwendigen Qualifikationen und die erforderlichen Leistungen für Sicherheitsmaßnahmen. Der Bauherr kann damit auch eine Fachfirma  beauftragen (RAB 30, Anlage c), die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz auf der Baustelle koordiniert. Mit den neuen Instrumenten Vorankündigung, Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan sowie Koordinierung lässt sich die Prävention erheblich verbessern.

Regeln zum Arbeitsschutz. Die Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen (RAB) geben den Stand der Technik bezüglich Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen wieder. Sie werden vom Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (ASGB) aufgestellt und von ihm der Entwicklung angepasst. Sicherheitsvorkehrungen und Gesundheitsschutz auf Baustellen betreffen die RAB 30 – 33. Bei der Planung und Ausführung der Gebäudehülle tritt die RAB 30 (Bestellung des Sicherheits- und Gesundheitsschutz-Koordinators) in Kraft. Hierin wird geregelt, wie der Sicherheitsschutz zu organisieren ist, und dass er auch im Leistungsverzeichnis besonders zu beschreiben ist.

Die RAB 31 beschreibt Anforderungen an Inhalt und Form eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans gemäß der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen, der vom Sicherheitskoordinator aufgestellt werden muss. In der Arbeitsschutzregel RAB 32 werden die Anforderungen an Inhalt und Form einer Unterlage gemäß der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen beschrieben. In der RAB 33 sind allgemeine Grundsätze nach § 4 des Arbeitsschutzgesetzes bei Anwendung der Baustellenverordnung geregelt.

Die Gefährdungsbeurteilung. Die Beurteilung von Gefährdungen ist die Voraussetzung von wirksamen und baustellenrelevanten Arbeitsschutzmaßnahmen. Sie ist Pflicht für jeden Unternehmer. Bevor die ausführenden Arbeiten begonnen werden, muss nach dem Arbeitsschutzgesetz gemäß § 5, Abs. 1 jeweils eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen werden. Hierin werden allgemeine Grundsätze zur methodischen Vorgehensweise bei der Beratung und Überwachung abgestimmt. Sie bildet die Basis für Handlungsanleitungen der Länder und Unfallversicherer zur Gefährdungsbeurteilung. Darin eingeschlossen sind auch der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan, der wiederum Aufschluss darüber gibt, welche Gefahren von außen und auch von anderen Gewerken ausgehen können. So kann das Gefährdungspotenzial optimal eingeschätzt und die damit verbundenen Maßnahmen zur Arbeitssicherheit vom ausführenden Unternehmer für seine Mitarbeiter rechtzeitig eingeplant werden.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Unterweisung zur Montage durch den Projektleiter. Diese gesetzliche Vorschrift stammt noch aus der Reichsversicherungsordnung und stellt heute noch eine Grundlage für die Berufsgenossenschaft dar. In dieser Montageanweisung wird verbindlich für jeden Handwerker festgelegt, wo er was abladen darf, wo er sich innerhalb seines Arbeitsbereiches bewegen darf, welche Zugänge benutzt werden dürfen (z.B. nur Treppentürme und keine Gerüste und auch keine Arbeitsbühnen). Hierin ist auch die persönliche Schutzausrüstung beschrieben. Daran haben sich alle Mitarbeiter kompromisslos zu halten. Darüber wird Protokoll geführt.

Sicherheit für seine Metallbauer. Das Metallbauunternehmen Harmsen Komtec aus der Grafschaft Bentheim beispielsweise arbeitet strikt danach. Der Betrieb ist sicherheitstechnisch nach SCC ** zertifiziert. Im Einzelnen bedeutet dies, regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter und regelmäßige Audits für das Unternehmen. Ferner, dass ein durchgehendes Arbeitssicherheitssystem nicht nur gepflegt, sondern auch gelebt wird. Der Betrieb arbeitet seit vielen Jahren unfallfrei bei seinen bundesweiten Montagen auf Großbaustellen. Deshalb gilt Harmsen Komtec als kompetenter und zuverlässiger Partner der Chemie-, Petro- und Pharmaindustrie, die naturgemäß einen eigenen hohen Sicherheitsstandard in ihren Werken beziehungsweise Parks vorschreiben.

„Bei den Montagearbeiten der an uns beauftragten Gewerke rund um die komplette Gebäudehülle werden ausschließlich geprüfte und zugelassene Absturzsicherungseinrichtungen verwendet“, erklärt Geschäftsführer Arno Harmsen und erläutert auch warum: „Sicherheit steht bei uns an erster Stelle. Gerüste müssen freigegeben, Sicherheitsnetze für den Einsatz zugelassen und geprüft sein, die persönliche Schutzausrüstung — je nach Gefährdungsbeurteilung zusammengestellt — ist Pflicht für jeden. Sie muss geprüft und gewartet sein. Dafür bürgt per Protokoll das Unternehmen, das die Absturzsicherungseinrichtungen freigegeben hat. Da gibt es keine Kompromisse. Schließlich hängen Menschenleben davon ab.“

Sicher nach innen und nach außen. Die erforderlichen baulichen Maßnahmen werden in der Regel von Fachunternehmen vor Montagebeginn erledigt. Hierbei unterscheidet der Unternehmer im Wesentlichen zwischen der Sicherung der absturzgefährdenden Bereiche, d.h. der Dachkonstruktion von der tragenden Konstruktion, bzw. von teilverlegten Flächen nach innen hin (dazu gehören z.B. auch Deckenöffnungen für Tageslichtelemente) sowie der Absturzsicherung von Außenflächen (Randabsturzsicherung).

Als Absturzsicherungen werden vorübergehende Maßnahmen wie Gerüste, Baugeländer, Fangnetze sowie Abdeckungen eingesetzt und im Besonderen auf Flachdächern Anschlageinrichtungen in Verbindung mit Seilsicherungen, die für die spätere Wartung und Instandhaltung der Immobilie auf dem Dach verbleiben. Auch diese  Bauteile müssen regelmäßig geprüft und gepflegt werden. In den Sicherheitsnetzen sind z.B. spezielle Prüffäden eingewebt, d.h. sie können insgesamt viermal verwendet werden. Danach sind sie für die  Dachmontage ungeeignet. Auch die Randabsturzsicherung wird jährlich durch sachkundige Personen oder z.B. von TÜV oder DEKRA geprüft.

Anschlageinrichtungen. Das bloße Vorhandensein einer Absturzsicherung ist noch lange kein Garant dafür, dass die Benutzung sicher vonstattengeht. Es kommt auf die Planung und Fachmontage an. Der Hersteller intelligenter Absturzsicherungen St Quadrat arbeitet verstärkt mit Planern und Architekten zusammen und bietet professionelle Beratung und Unterstützung bei der Planung unterschiedlichster Systeme an. Bei der Montage ist das Fachhandwerk gefordert.

Für die ausführenden Betriebe hält der Hersteller Ausschreibungs- oder Leistungstexte und Montageanweisungen bereit. Vor allem im Bereich überfahrbarer oder nicht überfahrbarer Seilsysteme zur Befestigung der PSAgA (EN 795 Typ C) konnte in den vergangenen Jahren eine ständig weiterentwickelte Kernkompetenz erlangt werden. Darüber hinaus konzipieren die Spezialisten aus Luxemburg Absturzsicherungen nach den Planungsgrundlagen, die von der Internationalen Gruppe D-A-CH-S erarbeitet wurden und seit Ende 2012 von der Bau-Berufsgenossenschaft durch die BGI 5164 in Deutschland empfohlen werden.

Das Maximum an Sicherheit. Dienstleister wie St Quadrat machen sich auch Gedanken darüber, wie ein Maximum an Sicherheit bei der späteren Begehung und Kontrolle von Dachflächen sinnvoll ablaufen kann. Deshalb muss bereits  im Planungsstadium einer Baumaßnahme beurteilt werden, welchen Gefahren ein Mensch bei der Ausübung seiner Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten ausgesetzt ist. Diesen Gefahren gilt es mit entsprechenden Schutzmaßnahmen frühzeitig vorzubeugen. Diese Planungsleistung bietet Mehrfachnutzen, von dem der Bauherr in jeder Hinsicht profitiert.

Die wichtigste Norm, die sich mit diesem Thema beschäftigt, ist die neue deutsche Norm DIN 4426 (Instandhaltung von baulichen Anlagen). Sie liegt seit Dezember 2013 druckfrisch vor und beschreibt grundsätzlich den Personenschutz auf Baustellen (mit Berücksichtigung sämtlicher Öffnungen,  Absturzkanten und Schutznahmen nach innen), insbesondere für Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Dächern sowie an der Fassade und Fensterflächen.

Worauf es ankommt. Bei der Montage von Absturzsicherungen kann der Planer je nach Bauaufgabe auf Dächern grundsätzlich zwischen Einzelanschlagpunkten und Seilsicherungen wählen. Entscheidend ist hierbei nicht die Anzahl der Anschlagpunkte (ASP), sondern deren sinnvolle Planung und Anordnung mit Einplanung von entsprechenden Wartungswegen. Moderne Edelstahlsicherungssysteme bieten Qualität und Sicherheit für  verschiedene Befestigungsuntergründe, wie z.B. Beton, Holzkonstruktionen, Trapezblechprofile oder Doppelstehfalzdächer. Randabsturzsicherung wird heute vielfach durch Geländerkonstruktionen gewährleistet. Hier haben sich Systeme bewährt, die aufgeständert und mit Kontergewichten beschwert gehalten werden. Da immer noch viele Unfälle durch den Einsatz von Leitern verursacht werden, die wegrutschen, umkippen oder versinken, kommt es auf verlässliche Leitersicherungen an. Für den Einsatz am Steil- und Flachdach sollten diese weder seitlich noch rückwärts wegkippen.

Persönliche Schutzausrüstung. Den Einsatz von Persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz (PSAgA) regelt die BG Bau in der BGR 198. Persönlich heißt in diesem Fall „Pro Person ein Gurt“ und nicht wie in der Praxis schon häufig beobachtet, einer für alle! Diese Gurte sind ebenfalls zu warten und zu pflegen. Darüber hinaus kommt es auf eine sichere Verbindung zwischen dem Auffanggurt und dem Anschlagpunkt an, an dem sich der Monteur einhängt, oder das Seilsicherungssystem befestigt wird. Diese muss so ausgebildet sein, dass sie der Anwendung entspricht. Jede Absturzsicherung ist nach Anwendung, Einsatzort und Montageuntergrund individuell zu planen, d.h. mit einem kurzen oder langen Seil und mit geeigneten Anschlageinrichtungen oder Sicher­heitshaken.

Fazit. Ein Monteur, der sich auf der Baustelle sicher bewegt, arbeitet wesentlich gewissenhafter und schneller, als jemand, der unzureichend gesichert ist. Darüber hinaus sind die Imageschäden, die sich im Falle eines Absturzunfalls auf der Baustelle in Windeseile in der Öffentlichkeit verbreiten, mit Geld nicht zu bezahlen. Da Baustellen sich ständig verändern, ist der Arbeitsschutz entsprechend anzupassen. Diese Anpassung schließt eine gute Mitarbeiterinformation ein. Wer sich in seinem Arbeitsbereich korrekt an die Sicherheitsauflagen hält, seine persönliche Schutzausrüstung trägt und mit geprüften, freigegebenen Bauteilen arbeitet, sollte sicher sein. Das Gefährdungspotenzial verringert sich erheblich und die Baustelle läuft termingerecht und unfallfrei ab. Unabhängige Untersuchungen bestätigen darüber hinaus, dass die tatsächlichen Kosten (Herstellung und Montage von Absturzsicherungen auf Bauobjekten, bezogen auf einen neuen Industriebau) unter 0,05 % der gesamten Bausumme liegen. Sicherheit ist also nicht nur planbar, sondern auch finanziell zumutbar.

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